Sexagesimae (60 Tage vor Ostern)

Predigt zum Sonntag Sexagesimae

Liebe Gemeinde, liebe Zuschauer*innen!

Wenn ich Sie heute fragen würde: Wie tief ist in Ihnen, ihrem Herzen, ihren Sinnen die Sache mit Gott verankert? – Was würden Sie antworten? – Anders gefragt: Sollte Gott existieren – und natürlich kenne ich als Pfarrer schon durch meinen Beruf eine ganze Reihe an Argumenten, die dafür sprechen können – also: Sollte Gott existieren, wie empfänglich sind Sie für Sein Reden zu uns – z.B. auf einer Skala von 1 – 10 – 1 sehr wenig oder gar nicht – 10 maximal empfänglich?

In uns allen liegt der Drang zur Fortpflanzung. Seid fruchtbar und mehret Euch, sagt Gott nach der Schöpfung zu Tieren und Mensch. Die Schöpfung ist geprägt von diesem Bild: Samen säen, neue Saat geht auf – neue Pflanzen bringen Frucht, die in sich neue Samen tragen – ein ewiger Kreislauf.

Auch in uns Menschen sind diese Anlagen zur Fortpflanzung vorhanden. Same und Eizelle verschmelzen – ein neues Leben beginnt, das in sich wiederum alle Anlagen enthält, um selber neues Leben weiterzugeben.

Im Gleichnis über das „Säen auf verschiedenen Böden“ geht es genau darum. Es geht um die „Fortpflanzung“ oder Ausbreitung des Wortes Gottes und um die Frage, wie empfänglich wir eigentlich dafür sind.

Gottes gute Botschaft will sich verbreiten, fortpflanzen. Und die verschiedenen Bodenbeschaffenheiten zeigen: Das Wort Gottes kann sich an allen möglichen Plätzen und Orten ausbreiten. Damit es sich aber effektiv verbreitet, dazu braucht es einen guten Boden.

Um das Gleichnis recht zu verstehen, werfen wir mal einen Blick auf den Ackerbau zur Zeit Jesu. Zunächst das Feld: Es wird begrenzt durch den Weg (kein Asphalt, eher steinig und plattgedrückt durch Füße, Hufe, Räder). Dann kommt am Wegesrand vielleicht eine kleinere Ebene aus felsigem Gestein, wie Rheinkies vielleicht, so eine Art Wegmarkierung. Dann kommt ein kleiner Bereich mit Unkraut, Gras – da wächst schon etwas. Und dann der fruchtbare Boden – das eigentliche Feld.

In Palästina säte man entweder vor der Regenzeit oder nach dem ersten reichlichen Regen. Der Sämann streute ihn im Vorbeigehen auf den Boden. Dadurch fielen die Samen auf alle vier beschriebenen Bodenarten. Fiel die Saat auf guten Boden, konnte sie eben gut wachsen und viel Frucht bringen. Nicht ganz unwichtig: Die Saat wurde erst nach dem Säen untergepflügt. Bis dahin lag sie schutzlos auf dem Boden. Weil Jesus von Disteln redet, ist die Frühjahrssaat im Blick. Und das ist eben diese Zeit: erst aussäen, dann unterpflügen.

Alles steht und fällt mit der Bodenbeschaffenheit. Die Saat kann von noch so guter Qualität sein. Fällt sie auf nicht wirklich geeigneten Boden, bringt sie eben wenig oder keine Frucht. Schauen wir sie uns an:

Der Weg begrenzt das Feld. Auf ihn fallen versehentlich ein paar Körner. Möglicherweise denkt Jesus aber auch an einen Weg, der quer durch den Acker führt.

Der felsige Boden ist sog. flachgründiges Land. Die Saat kann also nicht tief genug wurzeln. Solche Stellen sind in Palästina häufig. Undenkbar, dass der Bauer sie alle umgeht. Er rechnet schlicht damit, dass sie da sind und dass die Ernte dort wenig bis nichts austrägt.

Die Disteln werden ebenfalls mitbesät. Beim folgenden Einpflügen werden sie mit der Saat einfach untergepflügt.

Beim guten Boden sind Qualität und Menge der Frucht genauso entscheidend wie die Faktoren Licht, Feuchtigkeit, Wärme, Qualität des Saatgutes usw. Von ihnen hängt ab, ob der Keim 30fach, 60fach oder 100fach Frucht bringt.

Jesus betont: Wenn wir über Gottes Wort und unsere Empfänglichkeit, unsere Antennen dafür nachdenken, dann geht es um unsere Herzen. Mit welchem Boden sind sie vergleichbar? Davon hängt ab, ob und wie tief Gottes Anrede in uns ankommt.

Wieviel Raum bekommt Gott in meinem Leben. Wieviel Zeit schenke ich ihm täglich? Wie tief kann sein Wort in mir Wurzeln schlagen? Wie viel Luft bekommt es, in mir zu atmen, zu schwingen?

Da gibt es in uns vielleicht Wege, die von anderen Menschen festgetrampelt wurden, die unser Herz hart gemacht haben; eine Narbe, die verwachsen ist. Vielleicht ist etwas in uns als Schutz nach außen hart geworden. Zu dicht die Mauern, zu festgetrampelt der Weg? – Wir hören Gottes Anrede zwar, verstehen sie aber nicht oder wollen es nicht. Vielleicht, weil uns ja eh alles schon klar ist?

Der felsige Boden kann den Samen zwar aufnehmen, aber er kann keine Wurzeln schlagen. Sozusagen: Schnelle Begeisterung. Freudige Annahme. Sobald aber Schwierigkeiten auftreten, Krankheit, Krisen, Pandemie, Lebensfragen, Zweifel usw. verdorrt die Saat. Die erste Euphorie verpufft.

Die Dornen stehen für unsere Sorgen. Sorgen ersticken uns innerlich. Sie überlagern das Wort Gottes. Es kommt in uns nicht zu Wort. Innere Verletzungen oder Kränkungen gewinnen die Oberhand. Unsere Seele erreicht kein ermutigendes Wort mehr.

Mit dem guten Boden kommen wir zur Pointe des Gleichnisses. Denn: fragen wir uns: Wer oder was ist eigentlich das handelnde Subjekt in unserem Gleichnis? Der Sämann, der Boden, das Saatgut? So ist die überraschende Antwort: Die Saat – das Wort Gottes handelt!! Wo immer der Same ausgesät wird, eins ist gewiss: Er trägt in sich die Anlage zum Fruchtbringen. Er kann es aus sich heraus. Und das meiste Saatgut fällt auf gute Erde. Es hat Erfolg – es kommt an. Das Wort Gottes handelt – und die Geschichte nimmt ein gutes Ende: 30fach, 60fach, 100fach bringt die Saat Frucht.

Das heißt: Gott Wort an uns verfehlt seine Wirkung nicht, wenn der Boden passt.

Gott möchte mit Dir in Kontakt, ins Gespräch kommen. Deshalb spricht er uns an. Voraussetzung ist allerdings, dass wir ihn auch hören. „Heute, wenn ihr seine Stimme hört, seid nicht so starrsinnig – so ignorant – so desinteressiert.“ So könnte man den Wochenspruch übertragen.

Vielleicht sagen Sie: Ich höre Gottes Wort schon lange nicht mehr. Dann fragen Sie sich doch mal: Welcher Boden ist es, auf den Gottes Wort bei mir fällt? Von welchen anderen Worten, Bildern, Prägungen ist mein Boden geprägt?

Beackern wir unseren inneren Herzensboden. Lassen wir ihn locker und empfänglich werden, damit der Same des göttlichen Wortes, seine leisen Impulse in unseren Herzen auf guten Boden fallen, auf bereite, offene Herzen stoßen. – Dann erleben wir Gottes Güte und Zuwendung, seine Hilfe, Barmherzigkeit und ja, auch sein Heil.

Und: Für empfangsbereite Herzen braucht es zuallererst auch die Erkenntnis: Es gibt in meinem Leben auch Zusammengedrücktes, Festgefahrenes; Dornen, die zuerst zurückgeschnitten oder untergepflügt werden müssen, damit sie in mir nicht das ersticken, was aufblühen will.

Das braucht Geduld. Und die Gewissheit: Gottes Wort setzt sich durch – wenn wir es zulassen. Es bleibt nicht ohne Wirkung! Und das hoffentlich auch in unseren Herzen.

Amen.

Gehalten im Online-Gottesdienst vom 07.02.21, Ev. Kirche Windesheim

Foto: jplenio @pixabay