Maria Magdalena

Vor einer Woche ist der große Osterfilm „Maria Magdalena“ in den deutschen Kinos angelaufen. Ein Film, der sich eines Themas annimmt, das dringend darauf gewartet hat: die Rehabilitierung und faszinierende Geschichte von Maria Magdalena als Apostelin Jesu Christi.

Maria Magdalena (gespielt von Rooney Mara) wächst am See Genezareth in einer klassischen Großfamilie auf, als der neue Rabbi Jesus von Nazareth (gespielt von Joaquin Phoenix) mit seinen Jüngern die Gegend erreicht und seine Lehre von einer neuen Welt verbreitet, Wunder tut und (ohne biblische Grundlage) selbst tauft. Maria merkt, dass sie sich nicht den ihr als junger Frau drohenden traditionellen Konventionen unterwerfen möchte, wie etwa eine brave Ehefrau und Mutter vieler Kinder zu werden. Von Beginn an erzählt der Film die Geschichte einer jungen couragierten Frau, die weiß, dass sie eine andere Bestimmung hat. Das führt freilich zu heftigen Konflikten in der Herkunftsfamilie. Letztlich aber trifft Maria von Magdala auf Jesus von Nazareth und wird eine seiner ersten Jüngerinnen.

Auch von den Jüngern wird Maria aufgrund ihres Geschlechts kritisch beäugt – insbesondere von Petrus (gespielt von Chiwetel Ejiofor). Dem hält sie stand und geht ihren Weg. Immer in der Nähe Jesu sich aufhaltend sucht sie selbst dann noch den Kontakt zu ihrem Herrn und Meister, als die Jünger sich längst zur Ruhe gelegt haben. So begleitet und beobachtet sie all die Ereignisse bis hin nach Jerusalem mit einem den ganzen Film durchziehenden Verständnis, das sich wohl hauptsächlich bei Frauen finden lässt. Männer resp. die Jünger Jesu kommen an dieser Stelle im Film schlecht weg. Und so baut der Film Maria zur für die Frauen bedeutenden Jüngerin auf, die als erste selbst auch Frauen tauft.

Mit den Osterereignissen endet der Film und lässt den weiteren Lebensweg Maria Magdalenas weitestgehend offen. Die Geschichten, Legenden und Mythen, die sich um ihr Leben als Apostelin ranken, werden etwa im Heiligenlexikon und anderswo berichtet, finden im Film aber keinen Niederschlag.

Beeindruckend die Szene der Salbung in Bethanien, die nach johanneischer Überlieferung durch Maria Magdalena vollzogen wurde. Hier überschneiden sich zwei Figuren, die vielleicht miteinander identisch sind: Maria Magdalena und Maria von Bethanien (die Schwester von Martha und Lazarus). Bewegend ist die Szene deshalb, weil sie sich schlicht auf die Waschung der Füße konzentriert und auf die Thematik um das teure Salböl und die damit einhergehende Kritik der Jünger verzichtet.

Dieser Verzicht auf schillernde Elemente, Figuren, Farben und Szenen ist das sich durchziehende Moment des Films. So erscheint Maria Magdalena als schlichte, sehr intelligente und weise Frau. Ein wenig erinnert sie mich damit an weibliche und historisch prägende Figuren der Kirchengeschichte wie etwa Hildegard von Bingen und andere. Die Figur Jesu Christi verblasst förmlich vor der Figur Marias. Auf mich wirkt Jesus fast schon ein wenig depressiv mit einem Hang zum Haschen nach Mitleid. Dennoch trägt er auch unwirsche Züge und wird aufgrund seines Ärgers bei der Tempelreinigung fast festgenommen. Hier hätte der Film an Qualität gewonnen, wenn das ohnehin schon zwangsläufig fiktiv dargestellte Verhältnis zwischen Maria und Jesus noch intensiver bemüht worden wäre. Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass Maria auch im Vergleich zu Jesus diejenige ist, die die interessantere Figur abbildet.

Enttäuschend ist die Tatsache, dass der Film die durch Jesus Christus ausgelöste Bewegung nicht stark genug betont und die Einzigartigkeit des christlichen Glaubens nur selten herausarbeitet. Es hätte auch für die Figur Marias gewinnbringend sein können und die Möglichkeit eröffnet, das Bewusstsein für die Bedeutung gerade ihres Apostolats zu schärfen. Auch insgesamt hätte die Botschaft Jesu Christi und die Faszination von seiner Lehre einer neuen Welt besser dargestellt werden können. Am Ende des Films fragt man sich: Weshalb musste Jesus nun eigentlich sterben? Denn Christi Sterben und Auferstehen werden  ebenfalls nur recht schwach gezeigt. Auch die Tatsache, dass Maria Magdalena die erste Person überhaupt war, der der Auferstandene erschienen ist, kann man im Film nur erahnen.

Fazit: Alles in allem ist „Maria Magdalena“ trotz aller kritischen Anfragen ein sehenswerter und wichtiger Film (vgl. epd, ZEIT etc.). Rooney Mara spielt ihre Rolle brillant und eben schlicht. Auch die Rollen von Petrus und Judas lohnen den Kinobesuch. Die Idee, sich mit Chiwetel Ejiofor als Petrus-Darsteller gegen einen eher mediterranen Hauttyp des Nahen Ostens zu entscheiden, verleiht dem Film eine Tiefe und Weite, die gut tut und zum Nachdenken anregt. Und auch die Figur des Judas, dessen Motivik zum Verrat fast schon eine sympathische Note bekommt, macht diesen Jünger zu einer faszinierenden Person. Sein Schicksal macht traurig und stimmt ebenfalls nachdenklich. Man spürt: Das hätte jeder von uns sein können! – Aufgrund des fragmentarischen biblischen Befunds zur Person Maria Magdalenas trotzdem ein Film, der in gelungener Weise die neben Petrus wohl bedeutsamste Figur des Jüngerkreises darstellt – und dies ohne Schnörkel oder Pomp, ohne legendenhafte Töne oder allzu mystische Ankläge.

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